Die EAH startet 2021 mit der neuen Weiterbildungsreihe „Gute Bildung für alle – Bildungsort Schule als Arbeitsfeld für HeilpädagogInnen“. Wir sprechen mit Herrn Michael Kreisel, der die Weiterbildung inhaltlich koordiniert und wesentliche Teile selbst lehrt, über das neue Bildungsangebot.

Michael Kreisel, Referent der EAH
Michael Kreisel, Referent der EAH und Koordinator der neuen Weiterbildungsreihe

Seit vielen Jahren ist das Arbeitsfeld Schule für Heilpädagoginnen und Heilpädagogen ein spannendes und interessantes und eines, in das Zugänge erschwert sind. Insbesondere seit Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 haben inklusive Prozesse in Schulen deutlich an Bedeutung gewonnen. Die Vielfalt von Schülerinnen und Schüler, ihrer Bedarfe und Besonderheiten erfordert fundierte Kenntnisse und reflektierte Handlungskompetenzen. Was ist darüber hinaus Anlass für diese Weiterbildungsreihe und welche Zielstellungen sind damit verbunden?

Wir wollen mit der Weiterbildungsreihe die Positionen und Möglichkeiten für Heilpädagoginnen und Heilpädagogen im Feld Schule stärken. An sich haben diese viele Möglichkeiten, im Bildungsort Schule tätig zu sein, wobei sich die Teams vorrangig aus LehrerInnen, SonderpädagogInnen und teilweise SozialpädagogInnen zusammensetzen. Die umstrittene Rolle der Schulbegleitung wird kritisch beleuchtet. Denn einerseits betonen Akteure in den Schulen immer wieder, wie wichtig heilpädagogische Kompetenzen vor Ort sind, z. B. wenn Kinder durch Schwierigkeiten beim Lernen oder im Verhalten ihre Not zeigen. Und andererseits bestehen Schieflagen in Ansehen und Entlohnung.

Die Institution Schule ist heute gefordert mit der Vielfalt von Kindern vor Ort umzugehen. Sie muss einen Raum bereitstellen, in dem positive Lernerfahrungen für Schülerinnen möglich sind. Denn immer mehr Kinder verbringen immer mehr Lebenszeit in Schulen. Man denke nur daran, wie der Ganztag heute in Schulen für Kinder nicht nur Lernraum, sondern auch Lebensraum darstellt.

Darüber hinaus betreffen Veränderungen der Schülerschaft alle Schulformen. Und die Schule hat viel mehr sozialisatorische Funktion als in früheren Zeiten. HeilpädagogInnen können zu einer Stärkung des Erziehungsauftrags wie einer Willkommensatmosphäre der Schule beitragen.

Ziel der Weiterbildungsreihe ist die Erarbeitung subjektiv sinnvoller und strategischer Vorgehensweisen für eine fachliche und strukturelle Positionierung im System Schule. Eine besondere Rolle spielt der Auf- und Ausbau der eigenen Transferkompetenzen.

An wen richtet sich die Weiterbildungsreihe?

Die Weiterbildungsreihe richtet sich zugleich an erfahrene HeilpädagogInnen, als auch an HeilpädagogInnen, die gerade ihre Ausbildung beendet haben. Wer Interesse hat, seine Kompetenzen bezogen auf die Aufgabenstellungen in der Schule weiterzuentwickeln, ist sehr willkommen!

Welche didaktischen Leitlinien durchziehen die Weiterbildungsreihe, welche Lern- und Bildungsangebote können die Teilnehmenden erwarten, inwiefern ihre Kompetenzen erweitern und vertiefen?

Wir haben die Weiterbildungsreihe didaktisch in drei Teile gegliedert, d.h. den Bildungsort Schule allgemein, mögliche Arbeitsfelder und die Gestaltung von Bildungsprozessen. Dabei liegt der rote Faden in einer dynamischen Verknüpfung einer Verständigung und Reflexion des Bildungsbegriffs mit Möglichkeiten von Auftrags- und Rollenklärung. Die Lern- und Bildungsangebote sind so konzipiert, dass die Teilnehmenden aufbauend auf bisherigen Kompetenzen eine eigene heilpädagogische Position für Handlungsstrategien finden. Durch fachliche Vertiefungen soll die eigene Verortung unterstützt werden. Die Inhalte werden online archiviert und können jederzeit zusätzlich abgerufen werden.

Die Module finden freitags von 15.30 bis 19.00 Uhr und samstags von 9.00 bis 17.00 Uhr statt. Freitags werden Reflexionen zum vorherigen Modul mit einem gemeinsamen Prozesscoaching verbunden. Der Samstag ist für fachliche Inputs der ReferentenInnen zu den jeweiligen Themen reserviert. Mit den Personen Prof.‘in Ursula Böing, Heidi Fischer, Lydia Schönecker und Sigrid Zverina werden unterschiedliche Perspektiven auf das System Schule integriert.

Seit etwa einem Jahr erschweren bis verunmöglichen die Ansteckungsdynamiken rund um die Covid-19-Erkrankung die Durchführung von Präsenzveranstaltungen. Wie planen Sie und die EAH damit umzugehen?

Wir werden die Entwicklungen der Pandemie sorgsam beobachten und ggf. Module in den virtuellen Raum überführen. Dabei werden wir moderne Kommunikationsformen anbieten und Webkonferenzen durchführen. Ich persönlich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht und erlebt, wie inhaltliche Inputs, fachliche Reflexionen und Coaching auch online sehr gut gelingen und stehe dem sehr positiv gegenüber.

Wenn es die Lage zulässt, werden wir uns gerne im Seminarort Frankfurt/Main treffen, um einander zu begegnen und sich annähern zu können.

Manche sagen, Schule sei „wie ein großer Tanker im Meer“. Wie kann es also gelingen, die Fahrtrichtung dieses Tankers durch heilpädagogische Professionalität bei der Vielfalt der Lernausgangslagen von Kindern zu beeinflussen?

Laut meinen Erfahrungen kann heilpädagogisches Handeln aus anderen Kontexten nicht 1:1 auf die Schule übertragen werden. Denn: die Schule ist ein komplexes System, das man kennen und zu deuten wissen muss. Inklusive Prozesse oder interdisziplinäres Arbeiten sind oft immer noch neu und ungewohnt und der „Tanker“ hat viele sinnvolle Gründe für seine etablierte Route.

Das Besondere dieser Weiterbildung liegt in den Möglichkeiten und Wegen, die die Teilnehmenden kennen und durchdenken lernen, um die Potenziale und Ressourcen der Heilpädagogik im System Schule zu initiieren und zu verankern.

Ziel ist ein Prozess der Weiterentwicklung von beruflichen Wissens- und Persönlichkeitskompetenzen bezogen auf den Bildungsort Schule. Immer wieder werden wir dabei das Leitziel der Unterstützung von Teilhabe und Inklusion auf die verschiedenen Ebenen des Handelns beziehen und reflektieren.

Ich freue mich schon sehr auf den fachlichen Austausch, der sich durch die koordinierende Teilnahme an allen Modulen für mich eröffnet, und auf die konstruktiven Erfahrungen einer Lehr-Lern-Gemeinschaft.